sonnig, wolkenlos

(via naturegeak @ flickr)

Irgendwo zwischen Realnamendiskussion auf Google, stundenlangem Dateiengeschiebe zwecks Backup und meiner erneuten Feststellung, wie praktisch “richtiges” DSL ist, kam mir hauptsächlich ein Gedanke: Das mit der Cloud könnt ihr euch erstmal in die Haare schmieren.

Versteht mich nicht falsch, das hat alles seine Vorteile.

Wer arbeitet kann Wolken brauchen, in der Freizeit ist Sonne wichtig

Während des Studiums haben Dropbox und Co mich gerettet. Keine Massen-Emails, keine drölfzig Dokument-Versionen, alles wird schön über einen geteilten Ordner synchronisiert. Ob nun Dropbox oder GoogleDocs – für Projekte mit mehreren Menschen helfen diese Dinge sehr. Da ist die Cloud großartig.
Man teilt und bearbeitet und sichert alles gemeinsam, sieht wer wann Zugriff hatte und minimiert so Fehler.

Dokumente die ich überall brauche, Buchungsbestätigungen, Fahrpläne – alles in meiner Dropbox oder den Google-Dokumenten. Es gibt Sicherheit, auch mal ohne den Laptop unterwegs zu sein. Oder selbst wenn der über den Jordan geht – wichtige Dokumente stehen als Backup in einem verschlüsselten Ordner online.

Ich führe meinen Kalender online (Google, obviously.) Ich sichere Passwörter über Lastpass, wichtige Dokumente über Dropbox. Als ich am Wochenende meinen Laptop zuerst platt gemacht habe um anschließend alles neu zu installieren waren meine Schriftarten und Icons sowie eine Sicherungsdatei für meine Programme in der Cloud.

So gesehen bin ich ein großer Fan, ehrlich.
Aber.

Grundsätzlich ist es praktisch einer Freundin den neuen Song, den sie hören sollte in die Dropbox zu stellen. Oder eine Liste über GoogleDocs zur Häufigkeit der Erwähnung von Einhörnern auf Twitter zu führen. Mit meinem Account bei UbuntuOne kann ich auch mal ein Fotoalbum streamen, ohne das alles gleich auf Facebook zu stellen. (zu den Alben-Funktionen von Facebook nur ein Wort: ORRRR)

Also immer dann wenn ich kurz – oder mittelfristig Dinge verfügbar machen muss, ist die Cloud super. Für eine begrenzte Masse an Daten. Und in Ausnahmefällen auch mal langfristig.
Für große Datenmengen und längerfristig ist die Cloud aber in ihrer momentanen Form Blödsinn. Dafür gibt es zu viele Haken, Ösen und Gefahren.

Es gibt Gegenden, da kommen gar keine Wolken vor

Die Diskussionen um die Namens-Politik auf Google hat eines gezeigt: Ob Google, Facebook oder Apple – kein großer Anbieter betreibt momentan ein offenes, zuverlässiges Accountmanagement.
Was bei Google die Namen sind, ist bei Facebook der Datenschutz und bei Apple dürfen keine Drittanbieter dazu.
Mich von einem Hauptaccount abhängig zu machen ist also durchaus riskant.

Natürlich, den Meisten von uns wird nie derartiges passieren. Aber es gibt keine Strategie mit der man 100%ige Sicherheit für die Daten in der Cloud herstellen kann. Selbst mein persönlicher Liebling Dropbox hatte vor ein paar Wochen eine größere Sichereheitslücke.
Dabei macht es keinen Unterschied, ob man für den Account bezahlt hat oder nicht.

Aber selbst wenn das alles sicher wäre, wir uns darauf verlassen könnten, dass unsere Dateien jederzeit auf einem Server irgendwo auf der Welt verfügbar sind, egal wie wir uns nennen und ob wir dort auch unsere Pornosammlung untergebracht haben, selbst dann ist die Cloud nur mit Krücken unterwegs.

Die Krücken der Cloud heißen DSL, G3, Wlan und Edge.
Ohne diese Krücken kommt die Cloud nämlich nirgendwohin. Das ist kein Problem in Gegenden, die barrierefrei sind. Also Städte wo das Netz auf die vielen Smartphone-Besitzer eingerichtet ist. In absehbarer Zeit werden wir im Bus, Zug und auch im Flugzeug fröhlich online sein und streamen was das Zeug hält.

Und so wird ein ganzes Land von einem großen, zuverlässigen Funknetz bedenkt. Ein ganzes Land? Aber nicht doch! Große weiße Flecken in ländlichen Gegen bleiben wehrhaft! Gezwungenermaßen. Denn die Telekom hat es nie für nötig gehalten dort DSL-Leitungen zu legen oder für entsprechenden Ersatz zu sorgen. Und wenn sie jetzt in diesen Gegenden Angebote für Funk-DSL macht, dann steht im Kleingedruckten die Drosselung nach 6GB. 6 Gigabyte. Pro Anschluß. Mit 2-8 Geräten die mehr oder weniger regelmäßig im Netz sind, Videos herunterladen, Musik im Internet kaufen und Emails verschicken.

Die 6GB sind dann nach einer Woche schon mal erreicht.
Gut, dann kann man ja immer noch mit dem Smartphone ins Netz, gibt ja UMTS & HSDPA. Oder?
Nun, speaking as a citizen am Rande Südostoberbayerns – NÖ.
Mein Handy kennt die Bezeichnung 3G nur vom Hörensagen. Wenn überhaupt. Es schwankt, was die grünen Wiesen hier hergeben.

Damit ist der Grundgedanke der Cloud “alles jederzeit überall verfügbar machen” Quark. Stattdessen sollte er lauten “wenn sie in einer Stadt mit mehr als 20 000 Einwohnern leben, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass sie zumindest mit etwas Geduld auf ihre Dateien, die nicht größer als 100 MB sind, zugreifen können.”

Wenn ich jetzt noch bedenke, wie hoch die Priorität dieses Infrastrukturproblems z.B. in Bayern unter der Hoheit Horst I dem Ungewählten (wir erinnern uns, bei der CSU druckt man sein Internet gern noch aus) ist, sehe ich eher eine Winterolympiade hier, bevor ich einen menschenwürdigen Downstream erhalte.

Meine Musiksammlung ist wie ein Organ, das kann man nicht streamen.

Und wissen sie was? Damit kann ich sehr gut leben.

Ich bin oft und viel online. Ich kommuniziere, konsumiere und tue eigentlich alles außer Essen im Internet. Wenn ich unterwegs bin, grinse ich auf Zugfahrten oder beim Warten auf irgendetwas in mein Handy. Meistens, weil ich meine Twitter-Timeline lese.

Was ich dann nicht tue? Mein Handy als MP3-Player nutzen. Youtube-Videos schauen. Einfach, weil diese Dinge viel Aufmerksamkeit brauchen. Genauso versuche ich größere Twitter-Konversationen auf einen Zeitpunkt, wenn ich wieder am PC bin.
Außerdem verbrauchen diese Dinge viel Akku und ich gehöre zu denen, die ihr Handy manchmal wirklich zum telefonieren BRAUCHEN. (Hallo, holst du mich aaahhab?)

Kopfhörer habe ich trotzdem ständig auf. Weil ich, sobald ich das Haus verlasse, Musik höre. Bevor ich die Tür hinter mir zumache, entscheide ich spontan was jetzt meinen Weg begleiten soll. Auf dem Rückweg kann das schon wieder etwas komplett anderes sein.
Hin und wieder ist man einen ganzen Tag lang unterwegs – dann wird stundenweise geshuffelt, die neuen Alben durchgehört und irgendwann verzweifelt wieder zu den Klassikern gegriffen. Will sagen: ich brauche meine Musik, überall, zuverlässig und in großen Mengen.

Da fällt das Streamen schon mal flach. Weil vielleicht stehe ich im Laufe des Tages an einem See-Ufer. Oder auf einer Waldlichtung. Oder bin einfach in Randgegenden von Südostoberbayern unterwegs. Und egal was die Simfy-Werbung mir erzählen will – da streamt es sich nicht so leicht.

Stattdessen schauffele ich alle par Wochen die frische Musik auf den MP3 Player, zu den anderen ausgewählten 32 GB. Und das ist der Kern meiner Musiksammlung, also ein bisschen mehr als die Hälfte. Der Akku des MP3-Players hält tagelang durch, er ist kleiner und handlicher als mein Handy und mindestens genauso wichtig.
Ich liebe Musik. Meine Musiksammlung gehört zu meinen wichtigsten Besitztümern.
Meine komplette digitale Musiksammlung ist einmal auf meinem PC, einmal auf einer externen Festplatte und der harte Kern wie gesagt auf dem MP3-Player. SO wichtig ist sie.

Liebe Cloud, du bist eine hübsche Erfindung, aber es gibt Dinge, um die kümmere ich mich selbst. Das eine ist das Füttern meiner Katze und das andere meine Musiksammlung. Wir reden wieder drüber, wenn du lernst Steuererklärungen zu erstellen, okay?

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