Allgemein

Thank you for being a Goth

*Or how to stumble upon friends and terrify people

Dieser Blogpost kommt in 3 Teilen, nur einer davon ist ein Rant.

Teil I : Breakfast Schnapsideen

Picture it: Wasserburg am Inn, der nasse, unschöne Winter 2022. Zwei Freundinnen sitzen einmal mehr seit 3 Stunden beim Frühstücken im heimeligen Lieblingscafé. Man fabuliert so vor sich hin, hat generell wenig Highlights vor sich, eher Tumulte. Jobs sind anstrengend, Männer sensibel, die Welt an sich nicht so glamourös, wie man sich das wünscht. Es sollte, kommt man überein, mal wieder was passieren. Nach all den Zoom-Geburtstagspartys, den nicht passierten Feierlichkeiten im Lockdown, den versäumten Jubiläen und lange nicht mehr gesehenen Menschen, es wäre doch Zeit, dass sich etwas rühre, ist es nicht? Eine Party sollte her, eine ordentliche.

Dear Reader, was nun klar sein muss, ist, dass wir hier von mir und der reisefreudigen, hospitality-spezialisierten extrovertierten, Barkeeper-Freundschaften-schließenden J. sprechen, quasi der singuläre Mensch auf der Welt, der noch mehr als ich zur Fraktion "dann machen wir das halt" gehört. Sie wissen ja, introvertierte Leute wie ich (Untertreibung des Jahrzehnts) gehen nicht los und schließen Freundschaften, wir werden von Exemplaren wie dem oben beschrieben identifiziert, für gut befunden und adoptiert. Das passierte in diesem Fall vor etlichen Jahren über Social Media, als die J. feststellte, dass wir gar nicht weit weg voneinander wohnen. Dazu, verehrte Leserschaft, muss man wissen, dass dieses Privileg, eine echte, fantastische, Abenteuer-stiftende Freundschaft in greifbarer Nähe zu haben, für mich eine quasi neue, im Nachhinein betrachtet, absurd erhebende Erfahrung war. Irgendwo auf dem Weg fanden wir zu unserer kleinen Tradition der Frühstücke im Café bei mir gegenüber, das mit den besten Torten diesseits von Wien (die Chefin hat im Sacher gelernt) und dem wunderbarsten Chef-Kellner der Welt. Meistens am frühen Vormittag eines Wochenendtages trafen wir uns dort und während wir uns durchs Frühstück (meistens eines geteilt, bevorzugt die Variante mit Lachs und Rührei mit Pesto), etliche Getränke (neben Kaffee z.B. den Smoothie des Hauses mit Ingwer und Karotte) und später natürlich Torte sowie mindestens eine der vielen Spritz-Varianten (Johannisbeer, Minze, Zitrone-Ingwer) arbeiteten, informierten wir uns gegenseitig über den Stand der Dinge. (Jobs, Männer, Kinder, Social Media Aufreger, anstehende Events.) Sie ahnen wie fix da 6 Stunden rumgehen können.

Wo war ich? Richtig, Festivitäten. In den before-times, wie ich sie jetzt gern nenne, war 2019 sogar noch ein Highlight-Jahr gewesen, mit mehreren Geburtstagsfeiern, dem legendary Rosenfest und anderen schönen Gelegenheiten. Dann kam 2020 und nun ja, Sie wissen schon. Die J. hatte einen Meilenstein-Geburtstag mitten im Lockdown via Videokonferenz gefeiert, da aber eine Rum-Pistole und andere Props involviert waren, ist sogar der eine Legende. (Damit sollte klar werden, was für eine Qualitätsperson die J. ist.)

Jedenfalls, wir erinnern uns, 2018 hatte ich ja auch mal meinen Geburtstag gefeiert, fand das sehr schön und hatte auch immer mal vor das zu wiederholen. Es war also alles in allem überfälligst. Tatsächlich trug ich bereits seitdem eine kleine Sammlung an Mottos und Überschriften für zukünftige Parties mit mir herum. Als ich der J. nun den Satz "Last Night Of The Goths" hinwarf, traf ich auf funkelnde Augen und besiegeltes Schicksal. Jawohl. Ein rauschender Vampir-Sommerball den niemand schnell vergessen würde, so wahr wir der Stammtisch Feministisches Tortenessen waren! (Wir haben, siehe der erwähnte beste Kellner der Welt, mittlerweile ein eigenes Schild.)

Es war der Startschuss eines Projekts, das uns die nächsten 6 Monate beschäftigen würde. Größte Herausforderung war schnell das Thema Location, schließlich würde alles eine gewisse Größe haben und wir wollten zumindest die Option darauf haben bis ins Morgengrauen zu feiern. Es stellte sich heraus, dass eine nicht kleine Anzahl von netten Lokalitäten für den Sommer, wenn nicht das ganze Jahr 2023 bereits ausgebucht waren. Es war eher Zufall, dass ich am Ende über das Tonwerk in Dorfen stolperte, ein etwas abgelegenes Event-Gelände - mit exakt allem, was wir brauchten. Nachdem wir die Kalender mit bekannten Einladungen, Festivals, Meetups, sportlichen Großereignissen und der Verfügbarkeit des Tonwerks abgeglichen hatten, stand schnell fest, dass es nur der 22. Juli 2023 sein konnte. Mit genug Hoffnung für durchgehende Outdoor-Aktivitäten, aber einer Option für drinnen. Die großartige Betreuung durch Kathi, die ansässige Event-Managerin, tat ihr Übriges, als wir im Februar endlich alles besichtigten. Meine Schwester wurde Augenzeugin, wie die J. und ich beim Bestaunen der Halle, der Terrasse und des wirklich idealen Geländes auf noch viel wildere Ideen kamen. Kerzen, Glitter, ein roter Teppich? Auch das Team vor Ort war Feuer und Flamme, weil zwischen pastellfarbenen Hochzeiten und Firmenfeiern standen da zwei komplett wahnsinnige Damen vor ihnen, die von Vampiren, gothic Vibes und "am besten alles in Samt" fasselten. (How to win over your Event-Team: Be really crazy.)

Es begann die Zeit der Listen. Inklusive eine Liste mit allen Listen, die wir brauchen würden. Website, Gästeliste, Essen (die Grillbuffet-Optionen des Tonwerks hatten uns schnell überzeugt. Inklusive vegetarischen Varianten, Raum für Sonderwünsche und hervorragendem Wein. ), Musik (!), Deko (!!). Wie das halt so eskaliert, wenn zwei perfektionistisch veranlagte Frauen mit Freude an Theatralik planen. Ich reservierte die Domain auf die Endung .party, wir feilten am RSVP-Fragebogen (Anfahrt, Hotelwünsche, Essenseinschränkungen, etc.), an den Einladungen (mehr Schnörkel!) und verschickten ein 'Save The Date', um Menschen frühest möglich in Panik zu ersetzen.

Das Tolle an einer langen Party-Vorbereitung ist auch, dass man schon lang vorher spannende Rückmeldungen bekommt. Fragen und Outfit-Ideen zum Dresscode, die Irritation wo zur Hölle das alles ist, ob wir heiraten und ob wir den Verstand verloren haben. Wirklich, ich kann das empfehlen. Finden Sie eine Person, mit der man absolut absurde Dinge konsequent durchziehen kann, deren Ansprüche fast noch höher sind als die eigenen, mit der sie sich die Aufgaben gut aufteilen können (die Autistin macht den Orga-Kram, die VIP-Lounge erfahrene Success-Managerin das Kreative) und es wird nicht aufhören Spaß zu machen. Versprochen. Nicht von plötzlichen Plot-Twists, Lebensplanänderungen und anstehenden neuen Jobs oder Wohnorten irritieren lassen, das kann man noch danach betrauern.

Es wurden Kleider bestellt, eine Band ausgesucht, der bekannte Action-Fotograf angefragt und über Cocktails diskutiert. Auf Gin kann man sich halt einigen. Der beste Kellner der Welt, der bei weiteren Frühstücken langsam eingeweiht (und natürlich eingeladen wurde) war am Ende vielleicht der einzige, der sich nicht ganz so wunderte, wie sehr Dinge ausarten können. Ach ja richtig, eine Torte wurde natürlich auch geordert. Nicht irgendeine Torte, eine Goth-Torte. Ich schlug mit einem Mood-Board bei der Chefin auf, das mehrstöckige Kunstwerke in Schwarz und Violett, mit Gold, blutroten Blüten oder Spitzen-Deko zeigte. Auch hier: Endlich was anderes! Keine Hochzeitstorte, kein rosa Taufkuchen, eine Herausforderung, es wird Blattgold geordert! Es ist eine meinem größeren Freuden, Menschen, die so gut und kreativ in ihren Jobs sind zu sagen, dass sie doch bitte einfach machen sollen, weil ich vollstes Vertrauen in ihr Urteil und ihre Fähigkeiten habe. Vor allem, wenn sich herausstellt, dass man derart recht hat.

Kurz nach Ostern hatten wir die Einladungen in Form von Postkarten (richtiges Papier!) verschickt, jeweils mit dem Link zur Website bzw. dem RSVP-Formular. Hier trennte sich die digitale Spreu ein bisschen vom Weizen, sind es doch erstaunlich viele, auch nach 1990 geborene Menschen, die derlei Prozedere nicht kennen oder bedienen wollen. So gab es erste enthusiastische Anmeldungen, konstruktives Feedback zum Fragebogen, ein Hashtag (#LNOTG) und ganz, ganz viel Vorfreude. Which brings me to.

Teil II: Weaponized Incompetence (ein Rant)

Schon beim Arbeiten an der Website war mir klar, dass die RSVP-Deadline für manchen eine Herausforderung werden dürfte. Ich ergänzte also ein kleines Feld, in das man sich eintragen konnte, um daran erinnert zu werden. Die ADHS-Crowd war begeistert, im Laufe der Wochen von April bis Juni schlossen sich schnell die meisten Lücken in Sachen Rückmeldung. Mit dezidierten E-Mails vom eigens für die Feier eingerichteten Konto an die Gruppe der ausbleibenden Antworten, konnten wir schnell sicherstellen, wer seine Postkarte nicht bekommen oder das Prozedere nicht verstanden hatte. So war irgendwann klar, dass alle, die Bescheid wissen sollten, auch Bescheid wussten und ihnen bewusst war, warum eine ordentliche Antwort, wenn auch informell für uns wichtig wäre.

Mal ganz abgesehen von generellem Anstand, Höflichkeit und Respekt gegenüber den Gastgeberinnen.

"Weaponized incompetence" ist ein Begriff, den ich lieben gelernt habe, weil er eines der schlimmsten Konzepte, die einem als Frau widerfahren kann, sehr schön auf den Punkt bringt. MÄNNER DIE SICH DUMM/ UNFÄHIG STELLEN UND GLAUBEN DAMIT DURCHZUKOMMEN.

Es waren am Ende 7 Herrschaften, die ihre Einladungen nachweislich bekommen hatten, sogar vereinzelt mit großer Freude. Wenn ich sage Herrschaften, meine ich Herrenschaften. Sogar ein ganz bemerkenswerter Cluster an gemeinsamen Demographie-Eigenschaften lässt sich hier zuordnen. Männer, über 40, Hetero, in verantwortungsvollen Berufen, in denen von ihnen gleichermaßen Verbindlichkeit wie Kommunikationsfähigkeit verlangt wird. Männer, denen wir entweder im Umgang oder sogar via Social Media zusehen konnten, wie sie unsere Einladung ignorierten, aber andere Dinge fröhlich ab- oder zusagten, Anreisen planten, Vorfreude bekannt gaben. Männer, die sich nicht zu blöd waren uns dann auf den letzten Metern peinliche, unglaubwürdige, schwache Ausreden aufzutischen, warum sie nicht in der Lage dazu waren ja oder nein zu sagen.

Well I call bullshit.

Das wichtigste für Männer in einem Patriarchat ist das Ansehen und der Respekt durch andere Männer. Sie nehmen einiges auf sich und legen sich bei Bedarf überdurchschnittlich ins Zeug, um hier Anklang zu finden. Sie wissen auch, dass Unzuverlässigkeit, Larmoyanz, Passivität und Unentschlossenheit durch die fellow men zur Kenntnis genommen und in der Hierarchie abgestraft werden. Einladungen von Männern, mit Männern an Männer - natürlich reagiert man da, es steht schließlich das soziale Kapital auf dem Spiel.

Einladungen von Frauen? Womöglich sogar noch mit Dresscode, albernen Mottos und überhaupt nicht der Ernsthaftigkeit von was auch immer Männer miteinander tun - ach, nun. FRAUEN VERZEIHEN JA. Frauen rollen mit den Augen oder schütteln den Kopf, aber dann lächeln sie, weil ihre kleinen Idioten mal wieder zu dumm, zu schwach waren, um VÖLLIG GRUNDLEGENDE HÖFLICHKEIT UND MINDESTANFORDERUNGEN zu erfüllen.

Ich bin so, so durch mit euch.

Ist euch klar, wie wahnsinnig unglaubwürdig ihr euch macht? Ist euch klar wie absurd es wirkt, dass ihr auf Rechte und Verantwortung pocht, aber es euch nicht peinlich ist zu sagen, dass ihr euch vor solchen schlimmen Aufgaben wie einer Antwort auf eine Einladung gerne mal versteckt und hofft, dass es vorbeizieht? Was, ohne, dass wir es merken? Oder denkt ihr allen Ernstes es ist 1963 und erwachsene Frauen betrachten die Männer in ihrem Umfeld weiterhin als Erziehungsauftrag? SAGT MAL HACKT´S?

Eure Social-Media-Feminismus-Performance ist mir so derart egal, solange ihr es nicht schafft, die Frauen, die vor euch stehen als vollwertige Menschen zu behandeln, deren Zeit und Aufwand zu würdigen sind. So eine Einladung ist ein Privileg, ein Nachweis, dass man euch für eine wertvolle Addition zu einer solchen Gelegenheit sieht. Gleichbehandlung startet vor eurer Nase, ihr inkonsequenten Poser.

WIR LASSEN UNS NICHT LÄNGER FÜR DUMM VERKAUFEN.

Aber keine Sorge, bei der nächsten Party werdet ihr euch diese Sorgen nicht mehr machen müssen.

Teil III: My Hat is off, won't you stand up and take a bow

Wie man hier lesen konnte, hatte ich verlängerte Sommerferien und so lag Samstag, der 22. Juli nicht einfach am Ende einer Arbeitswoche, sondern es konnte ausreichend darauf hingefiebert werden. Das Kleid holte ich erst Tage vorher bei der Änderungsschneiderin ab, die Co-Gastgeberin orderte immer noch Deko und wir hibbelten zusammen mit den Gästen, bei denen bis kurz vor Schluss nicht klar war, ob sie Zeit haben würden. Sie müssen sich das Hosting-Duo in der Woche der Party im Delirium vorstellen, mit mitternächtlichen Nachrichten zum Thema Trockenblumen, Vampirkarten und dem schwarzen Teppich, den ich bestellt hatte. Ab Freitag dann die ersten Reisemeldungen via Social Media. We're actually doing this. Ich rauschte durch einen Drogeriemarkt, um die Toiletten vor Ort mit Sonnenschutz, Blasenpflaster und Kajalstiften auszustatten, die J. bestellte mehrere hundert Kerzen und ich übte das mit den falschen Wimpern.

Und dann war plötzlich Samstag. Das Wetter war uns hold - es sollte einer der wenigen perfekten Juli-Tage werden und es ist mir egal wie viele Karma-Punkte es mich gekostet hat.

Wir trafen uns Vormittags an der Location und stellten die letzten Deko-Details sicher. Meine Schwester verliebte sich in den Bunsenbrenner, mit dem sie die Kerzen sicher im Leuchter anbrachte, ich in den schwarzen Teppich, der ausgerollt exakt an der Halle entlang führte und wir zusammen in die großartigen Foto-Optionen, die wir uns ausgedacht hatten. Das Engelsflügel-Mural war schon da, wir ergänzten den thronartigen Samt-Sessel (beim Gang durch die Deko-Welt hatte unsere Event-Managerin ernsthaft erzählt, dass wir die ersten waren, die Gefallen daran fanden. Skandal!) und ein Set-up für die Gästebücher.

Zurück nach Hause und Blitz-Aufhübschen. Kleid, Haare, Nägel, the works. In voller Montur bestieg ich nachmittags den Bus zum Tonwerk. (Bus ist großzügig an der Stelle, weil eigentlich ist es ein Kleintransporter, der die Strecke von Wasserburg bis Dorfen bedient.)

Vort Ort waren die ersten Gäste schon parat, hatte sich eine Gang aus Berlin doch schon am Tag davor auf den Weg gemacht und bei J. eingenistet. Wir hatten auf der Einladung den Beginn auf 17 Uhr gelegt und damit gerechnet, dass es locker eine Stunde dauern würde bis der Großteil da war. Aber das sind natürlich nicht unsere Freunde, nein, sie kamen ab halb fünf in Scharen. Eine hübscher als die andere. In großen Roben, dem kleinen Schwarzen, in Pailetten, mit Fascinator oder in Pink. Zu sehen, dass sogar sonst eher weniger snappy Dresser sich herausgeputzt hatten, dass Menschen aus allen Richtungen der Republik bis ins hinterste Oberbayern gefunden hatten und vor allem, dass sie alle Spaß hatten - mein Herz kann das immer noch nicht ganz fassen. Viele hatte ich schon so lange nicht mehr gesehen und auch unter den Gästen war die Wiedersehensfreude oft groß.

Um hier noch ein bisschen zu würzen, bekam jeder Gast beim Eintreffen ein Kärtchen mit einem zugeordneten Untoten aus der Popkultur-Historie, so wurden Gruppen gebildet. Den Eingang übernahmen die schicken, absurd gut erzogenen Söhne der J. und hielten sich sogar ganz brav an ihr 1-Drink-pro-Person Gebot. Also fast. Aber das kommt vor. Ach richtig, die Drinks! Es gab einen blutroten "Bella" mit Limoncello, Gin und Grenadine und den giftgrünen "J." mit Basilikum, Limette und Gin. Dazu noch einen Aperitiv, einen Spritz mit Beerenschaum nach Art des Hauses - alles auch in der alkoholfreien Variante.

Wir baten die Gäste erstmal hinein in die Halle, wo dekorierte Tische auf sie warteten und wir sie gemeinsam begrüßten. Ich gebe zu, ab da wird es mit der chronologischen Erinnerung schwierig, so viel Glückshormone, Adrenalin und Gin schoss an dem Abend durch meine Adern.

Wir eröffneten das hervorragende Grill-Buffet und ich bemühte mich nach Kräften überall Hallo zu sagen. Was sich schnell als großer Glücksfall erwies, war das Team vor Ort. Jeder, aber auch jeder Gast machte ihnen im Laufe des Abends Komplimente, so nett, zuvorkommend, umsorgend und grandios war die komplette Tonwerk-Gang. Wie der Chef am Grill mir später erzählte, waren wir aber auch für sie eine willkommene Abwechslung und im Vergleich zu mancher Firmenfeier angenehme Gäste. Well I do know the best people. Die Drinks rotierten, auch Vegetarier und Allergiker wurden satt, es stand jederzeit auch Wasser parat.

Wie gesagt, ab jetzt wird es holprig mit Reihenfolgen. Der befreundete DJ befeuerte die Halle und als es sich nach dem Essen alles langsam nach draußen verlagerte, hatten wir so idealen Hintergrund-Sound für fantastische Gespräche. Damit es aber nicht alles so dahin plätscherte, riefen wir den Gästen kurz darauf zu, dass sie sich bitte anhand der ihnen zugeordneten Vampire in Gruppen einfinden sollten. Was ich mir als geordnete Veranstaltung mit Einweisung vorgestellt hatte, verwandelte sich aber selbstverständlich in Comedy-Gold. Wir hatten auf Stehtischen im Saal Abbildungen der Vampire mit einer kleinen Aufgabenbeschreibung platziert, um hier eigentlich Gruppen zu bilden, aber spätestens als eine Gästin, das Vampirbild wie eine Monstranz vor sich hertragend "kennen Sie diese Frau?" skandierte, um so die restliche Gruppe einzusammeln, gab ich das mit der Organisation auf. Die Aufgabe für jede Gruppe bestand in einem Gruppenbild, den Einträgen ins Gästebuch und einer kleinen Fotostory, in der ihr bevorzugter Vampirfilm dargestellt werden sollte.

Wir hatten im Vorhinein selbstverständlich viel Spaß daran uns zu überlegen, welche Menschen in eine Gruppe gehören und sich eh mal kennenlernen sollten. Schließlich trafen hier die regionalen Freundschaften auf die Internet-Menschen, Kollegen auf Familie und langjährige Gefährten auf unbekannte Gesichter. Was für ein Geschenk so viele fabelhafte Menschen zu kennen.

Natürlich wurde es kreativ, chaotisch und so, so herrlich albern. Man wischte sich Lachtränen aus den Augen, was dem Kajal ums Auge noch mehr Dramatik verlieh, ich glaube, ich habe die Mundwinkel nicht mehr nach unten bekommen. Apropos anstrahlen.

"Find someone who looks at you, the way we looked at diese Torte." schrieben die J. und ich Tage nach der Feier fast parallel beim Blick auf die Bilder. Und wer würde diese Schönheit nicht anstrahlen? Kurz vorher waren auch die Chefin vom Café und der beste Kellner der Welt eingetroffen und konnten so einmal live Zeuge werden, wie eine staunende Gesellschaft ihrer Kreation huldigt. Ist sie nicht die schönste Torte der Welt? Oben Cranberry-Schokolade, darunter Buttermilch-Zitrone und schließlich Joghurt-Waldbeere umhüllt von so viel Kreativität und dem grandiosesten Topper der Welt - mit Kerzen, die man anzünden konnte! Wir waren selig. Die Torte, so erklärten wir auch den Gästen, war auch ein kleines Symbol. Dafür, dass man nicht heiraten oder einen runden Geburtstag feiern muss, dass Freundschaft und die Menschen, die man mag, manchmal auch völlig ausreichend sind, um ein rauschendes Fest zu feiern. Und dazu gehört unabdingbar auch eine Torte.

Schönste Torte der Welt. Ja, da steht "Happy Gothday"

Ich glaube, ich habe mich in wenigen Momenten so sehr in der Welt, als Teil davon gefühlt, wie beim Anschneiden der Torte mit der J.

Später berichteten Gäste sehr stolz, dass sie sich durch alle Schichten und vereinzelt sogar auch einen Mousse au Chocolat - Boob (wie wir sie nennen) probiert hatten. Wobei vielleicht das größte Kompliment kommt von "sonst nicht so Torten"-Essern, die unser Prachtstück wirklich gelobt haben. Jedes Lob wurde natürlich weitergegeben.

Ein bisschen leid muss einem an der Stelle die Band tun, die ganz fantastisch war, aber es mit einer Gästeschar im frischen Tortenkoma und mit großer Lust am Draußensitzen zu tun hatte. Umso enthusiastischer tanzte und feierte der harte Kern vor der Bühne. Ich frage mich immer noch, was ich die ganze Zeit getan habe, weil ich gefühlt mit keinem der Gäste genug geredet habe, aber gleichzeitig ständig mittendrin war. Ist das so für neurotypische Menschen? Es war fast Mitternacht als die allerersten Gäste aufbrachen und ich mich über jeden einzelnen von ihnen quasi von vorne freute. Wer alles gekommen war! Der harte Kern allerdings, wie es so ist, hielt durch. Zwischenzeitlich startete ein neues Team an der Bar, auch das versorgte uns bis kurz vor Sonnenaufgang mit Getränken, während wir immer noch da saßen und lachten. Es war dann kurz vor 5 als der letzte Münchner den ersten Zug zurück in die Landeshauptstadt nahm und das restliche Knäuel aus besuchenden Hauptstädtern und Gastgeberinnen ein Taxi rief. Vorher wurden Tortenreste und Gästebücher eingesammelt, über Dorfen dämmerte es schon.

Es waren entsprechen schon die frühen Morgenstunden, als ich, immernoch zu 60% bestehend aus Glitzer, in der großen Robe die Treppen hochrauschte, einen mir unbekannten Nachbarn dank viel Eyeliner vermutlich zu Tode erschreckte und immer noch nicht fassen konnte, dass das alles tatsächlich passiert war.

Dieser ganze Sommer, der sich so nach Ankommen und inmitten von anderen Menschen existieren angefühlt hatte, die vielen kleinen glimmenden Momente, gekrönt von einem surreal schönen Abend, mit den besten Menschen, dem besten Essen, den besten Getränken, der besten Musik und der besten Bestätigung, dass ich hier sein darf.

In den Tagen danach, die E-Mails, Nachrichten, Bilder - all die Energie, immer noch aus allen Richtungen. Erinnerungen, für immer gefüllt mit Wärme. Wie ein Podest auf dem man steht und in die Ferne, in die Zukunft sehen kann. See you at the next shindig.

Credits:

P.S. Manchmal kommt jemand und heilt etwas, von dem man nicht wusste, wie sehr es kaputt war. So ein freundlicher Tornado, der einen mitreißt ins Abenteuer, direkt vor deiner Haustür. Es sollte nicht so überraschend sein, dass eine strahlende Naturgewalt dann irgendwann weiterzieht, vielleicht grade dann, wenn es am schönsten ist. Gerade dann, wenn man sich daran gewöhnt hat, wie gut es ist. Ob jetzt 500 oder 800 km, es ist einerseits zu weit, aber andererseits bist du nicht weg. Ich bin so froh, dich Freundin nennen zu dürfen.

Thank you for being a friend
Traveled down the road and back again
Your heart is true, you're a pal and a confidant

Allgemein

5 Dinge – die letzten 3 Monate

Let me explain.

  • Kündigen. Ungefähr als ich hier das letzte Mal was gepostet habe, starteten gewisse Entwicklungen. Oder besser, sie spitzten sich zu. 2019 war ich in den kleinen Agenturarm einer IT-Firma eingestiegen, man kannte sich. Ein Jahr später, Pandora voll im Gange, die Integration in eine wachsende Firma von etwas mehr als 3000 Leuten in einer Handvoll Standorte. Und ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben, aber das Ding mit der Digitalisierung hat sich so ein bisschen, also fast schon wie ein Virus, verbreitet. Mit der Nachfrage wuchs die Firma. Menschen, Standorte, Abteilungen. Nach einem internen Wechsel taten sich zwar ein paar neue Türen auf, aber angesichts von bald 10.000 Kollegen sorgen Politik, Egos und Strategie auch dafür, dass bestimmte Türen zu bleiben. Am Ende war da wieder einer von diesen Momenten, in denen ich mir selbst zugeschaut habe, wie ich eine Entscheidung traf. Vor einer Woche war es dann so weit und ich marschierte das letzte Mal aus dem Büro im Münchner Osten. Was kommt, wird kleiner, aber tiefer, spezialisiert und international, aber vom Home Office aus. Dazwischen war ein Prozess mit tatsächlich mehreren Optionen, mit der Erkenntnis, dass Demografie, Fachkräftemangel und spezifisches Wissen mich in eine fürs Erste sichere, berufliche Nische befördert haben. Ja, die Kollegen werden fehlen, der Tumult einer so großen Organisation mit vielen Partys und Nebenthemen kann spannend sein, aber in den letzten Monaten war da diese eine große Erkenntnis: Was ich will und was ich brauche, sind nicht unbedingt identisch. Es gibt Teilmengen, aber auch deutliche Widersprüche. Zu bekommen, was ich brauche, macht zufrieden, gibt mir Energie. Zu bekommen, was ich will, aber nicht brauche, ist nur eine Sache zusätzlich, meistens nur der Anfang vom nächsten Wollen. Ich glaube, ich hoffe, die nächste Station ist mehr von dem, was ich brauche.
  • Feiern. 2018, also in den before-times, hatte ich einmal etwas größer meinen Geburtstag gefeiert. Das hat so viel Spaß gemacht, dass ich es eigentlich immer nochmal vorhatte, aber, Sie wissen schon. Letztes Jahr fand ich mich dann mit der schlimmsten Enablerin in Sachen wilde Ideen bei einem unserer 6-Stunden-Frühstücke wieder und plötzlich planten wir ein Fest. Gemeinsam und ziemlich eskalierend. Um große Garderobe und beste Laune wird gebeten. Ich kann empfehlen sowas mit einer Hospitality-Spezialistin zu planen, weil ich hätte die Hälfte vergessen. Jetzt muss ich nur noch zur Änderungsschneiderin, Schuhe kaufen und die Gästeliste endlich mal zumachen. Allein die Antworten, die aufgeregten Fragen dazu sind den Aufwand aber jetzt schon wert. Ich bin ja eigentlich keine Party-Maus, aber wenn, dann halt gscheid. Mehr dazu dann demnächst, wenn nicht die lokalen Medien vorher davon berichten.
  • Sommerferien, Autism-Edition. Das erste Geschenk habe ich mir aber vorher schon mal selber gemacht - lange Ferien. Zwischen altem und neuem Job liegen beinahe 7 Wochen und die Freiheit überfordert mich fast. Bis dato war die Zeit nach einem Job immer noch mit der Suche nach dem nächsten Job gefüllt, aber dieses Mal ist alles schon irgendwie geregelt. Vor mir liegt ein jungfräulicher Sommer, zu füllen mit Dummheiten, Erinnerungen und Büchern. Aber vor allem auch: Ohne Masking und Small Talk und so tun, als ob ich Dinge gut finde, die ich gar nicht tun will. Rhythmus finden, Rituale entwickeln, Sicherheit in dieser Identität entwickeln, die ich nie so ganz integriert bekommen habe, im Konzern. Also irgendwo zwischen RPG und Tinder ausprobieren wer man so ist, holistisch und einen Weg finden, sich nicht für jedes Meeting wieder verwandeln zu müssen. Hot Autistic Girl Summer, let the akwardness begin.
  • Das Social in Social Media. Ah yes, the Elon of it all. Naja, und die "künstliche Intelligenz", der Aufruhr, der neue, brummelige Unterton, auch noch zwischen Menschen, die sich mögen. Vor allem aber: Es ist nicht mehr länger mein Blick in die Welt. In was auch immer gerade passiert, womit sich Leute beschäftigen. Selbst der, puh, "Diskurs" scheint woanders zu sein und es hilft bei der Entwöhnung. Ein bisschen Sorge habe ich, weil es in den letzten Jahren so ein guter Weg war neue Menschen zu finden und ich ohne Twitter meine engsten Freundinnen womöglich nicht hätte. Vielleicht ist es eine Phase, womöglich braucht es nur das nächste große Event, aber in diesen Tagen überlege ich lieber, wie ich die letzte Phase des bayerischen Wahlkampfs vor Ort beeinflussen kann. (Don't get me started. Aiwanger, Erding, ich könnte ein hasserfülltes Essay schreiben über das was hier passiert.) Ein Teil von mir weiß, dass sich immer Wege finden werden, dass Menschen sich vernetzen. Es heißt schließlich interNET. Aber Twitter, mit dem Fokus auf Text und Präzision, auf schnelles Antworten und die Destillation von Argumenten - das war für mich dann doch ideal. Ich will keinen Tiktok-Account, Reddit liegt auch im Koma und wo genau treffen sich die Sonderlinge jetzt - muss ich etwa Discord lernen? ChatGPT, wo finde ich neue Nerds zum Diskutieren, möglichst ohne Nazis?
  • Smoothies do not make a morning person - und andere Erkenntnisse. Ich hatte in den letzten Monaten das Privileg, zu sehen, wie die tollen Menschen um mich herum mit teilweise heftigen Veränderungen - guten wie schwierigen - konfrontiert worden sind. Mich bewusst dazu zu entscheiden, ihnen meine Zeit, meine Aufmerksamkeit zu widmen, fühlt sich gut an, richtig. Auch das hat zum Job-Wechsel beigetragen. Ich will einen Job, nicht eine Identität. Er soll mich natürlich fordern und ich will meine Fähigkeiten einsetzen, auch da erfolgreich sein, aber mehr als alles andere will ich ein Leben, wo der Job nicht im Zentrum steht. Mit Zeit und Ressourcen für das, was wichtig ist. An Überstunden erinnern sich nur die Leute, die man dafür vernachlässigt hat. Ich habe nicht mal jetzt, in meinen Sommerferien, die Energie "that Girl" zu werden, mit Journaling, Work-Out und ohne Social Media vor 8 Uhr morgens. Ich schaffe den Smoothie und damit auf meinem Balkon zu sitzen. Ich beantworte dafür jetzt die Nachrichten, für die ich vorher angeblich "keine Zeit" hatte. Weil natürlich hat man die Zeit für die Nachricht, die Email, die Party-Zusage. Es ist der Prozess davor, die Gedanken über den Worst Case, über die Unwegbarkeit der Reaktion eines anderen Menschen (Bonus-Points für Neurodiversitäts-Hirn-Labyrinth), das Potenzial einer unangenehmen Reaktion oder selbst jemanden zu enttäuschen, für das wir "keine Zeit" haben. High Risk, high reward oder so. Mein kleiner Break gehört nur mir und ich teile ihn mit den Menschen, die ich mag. (Ich schreib dann jetzt auch wieder mehr, versprochen.)
https://www.youtube.com/watch?v=JvL9Nwj6XQQ
This is a Kelly Clarkson Appreciation Place
Allgemein

5 Dinge – KW 10 & 11/ 2023

Schon wieder im Zug getippt, das muss wirklich demnächst ein Ende haben.

  • Paris, qua Business-Trip. Die Stadt ist wirklich, wirklich schön und wirklich, wirklich nicht für Menschen gemacht. Meine Güte. Alles zerfällt vor sich hin, Treppen wohin man schaut, Verkehrsregeln sind mehr so vage Hinweise. Wenn ich mit Menschen über die Tage spreche, höre ich mich sagen, dass Paris seine Bewohner fordert, Disziplin und Hingabe erwartet. Dass man vielleicht darum den Parisern Arroganz unterstellt, weil sie das Überleben in dieser schönen, kühlen Diva als kontinuierlichen Erfolg mit sich tragen. Dass all die Croissants und Macaroons nicht zur Debatte stehen, wenn jeder Tag selbstverständlich 12-15Tausend Schritte hat.
  • Wie kalt ich Paris fand, wie ich viel deutlicher ich auch in anderen Großstädten außerhalb Süddeutschlands Wohnungslosigkeit wahrnehme, wohl wissend, dass es gerade auch hier in Problem ist. Es bildet sich dann ein Wutknäuel im Bauch. Darüber, dass es soweit kommen muss, dass Menschen Zelte am Straßenrand aufstellen. Aber auch darüber, dass ich genau weiß wie die Sheriffs in München dafür sorgen, dass es mir dort immer erst auf den zweiten Blick ausfällt. Ich schaue auf die Mietpreise, auf die miserable Lohnentwicklung, auf unsere absurden Diskussionen zur Grundsicherung und fühle mich den randalierenden Demonstranten in Paris plötzlich verbundener als ich dachte. Aber Banken retten, gaaaaanz wichtig.
  • Auf der anderen Seite: Worüber überbezahlte Nerds jetzt beim Abendessen reden - Kilowattstunden. Wie viele hat das Elektroauto, wie viele produziert die eigene Photovoltaik, was speist man ein, was braucht man selbst. Es ist alles sehr absurd danebenzusitzen und sich ein bisschen wie im Physik-Leistungskurs zu fühlen. Natürlich ist es gut und richtig, dass ein Leben ohne Benzin und Ölheizung jetzt auch ein bisschen Status-Symbol ist, dass die, die es sich leisten können, selbstverständlich damit anfangen. Aber es ruckelt auch wieder ein bisschen in meinem Kopf, weil es sollte niedrigschwelliger, schon länger normal sein. Wie viel Zeit wir verloren haben.
  • Nochmal, for those in the back: Der beste Smalltalk ist kein Smalltalk. Darum sind Internet-Menschen einfach speziell super. Die trifft man, fast schon spontan zum ersten Mal einfach so auf einen Kaffee und geht einfach mal die eigene innere Lage, die Weltlage, die Trauma-Lage und die Stadtteil-Lage durch, herrlich.
  • Die Bahn gratuliert mir zum frisch erklommenen Gold-Status und ich bin so, so unendlich müde. Ich entwickle schlimme Hotelzimmer-Routinen, gucke im Halbschlaf Serien (Shrinking: Sehr gut, You Staffel 4/Part 2: Um Himmelswillen, wer dachte das wäre eine gute Idee, Shadow&Bone: Awwww, Daisy Jones and the Six: Sehr ordentlich gemacht und the Riley Keough of it all natürlich fast schon spooky, ROY KENT IS BACK.) und merke, wie mein Hirn auf Autopilot schaltet. Es langt für Arbeit, für ein bisschen berufliche Interaktion, aber für weitere Impulse ist schlicht kein Platz mehr. Social Media ist ermüdend, Bücher sind ermüdend, Menschen sind ermüdend. Noch zwei Wochen bis zu einer Woche Urlaub und das wird für uns alle jetzt wirklich zäh.

Weiß nicht, warum der Algorithmus mich momentan mit Ms Jackson zuballert, aber warum eigentlich nicht: (Still slaps)

https://www.youtube.com/watch?v=-thq6sr0fKU